Mediengeschichte ist eine Disziplin der Medienwissenschaften und widmet sich allgemein dem Veränderungs- respektive dem Entwicklungsprozess der Medien.
Diese Veranstaltung behandelt zwei Ansätze der Mediengeschichte: Medienkulturgeschichte sowie die Integrale Mediengeschichte. Beiden Ansätzen gemein ist die Einsicht, dass Mediengeschichte – wie Geschichte insgesamt – deutlich mehr ist als eine chronologische Auflistung von Entwicklungsetappen.
Medienkulturgeschichte
Nach Werner Faulstich legt Medienkulturgeschichte Wert darauf, Mediengeschichte von der Kommunikationsgeschichte zu trennen. Weil das Thema zu weit und zu beliebig werden könnte, lautet seine Fragestellung: „In welchen Perioden und in welchen Formen haben welche Medien welche Steuerungs- und Orientierungsfunktionen in kulturellen und gesellschaftlichen Wandlungsprozessen übernommen, warum, wozu und wie?“
Integrale Mediengeschichte
Anders als die Einzelmediengeschichte mit ihrer Abfolge von einzelnen technischen Medien, untersucht die Integrale Mediengeschichte die „historische Entwicklung komplexer intermedialer Konstellationen“. Was passiert, wenn die Basismedien Schrift, Bild, Ton und Zahl in jeweils neue Kombinationen zueinander treten und was, wenn neue Medien nach Helmut Schanze „als Katalysatoren des Wandels der Basismedien” aufkommen?
Primär-, Sekundär-, Tertiär- und Quartärmedien
Medien unterscheidet man nach Harry Pross in Primär-, Sekundär- und Tertiärmedien, die heute durch die Gruppe der Quartärmedien ergänzt werden: Bis etwa 1500 dominieren die nur in kleinen Gruppen ausübbaren Primär- oder Menschmedien, wie Tanz oder Gesang. Hierzu gehören auch Schreib- und Gestaltungsmedien wie Wände, Obelisken und ägyptische Pyramiden. In der darauf folgenden Phase verlagert sich die Dominanz auf die Sekundär- oder Druck-Medien, die zunächst Individualmedien waren. In diesem Abschnitt, der bis 1900 reicht, entwickelten sich die Medien langsam zu Massenmedien. In einer dritten Phase verlagert sich die Dominanz dann auf die Tertiär- oder elektronischen Medien des 20. Jahrhunderts, die überwiegend Massenmedien waren. In der Phase seit Ende des 20. Jahrhunderts dominieren die Quartär- bzw. digitalen Medien. In dieser Phase ist eine Aufsplitterung der Massenmedien und ihre teilweise Re-Integration durch die digitalen (quartären) Medien sowie der Trend zur Individualnutzung zu beobachten. Diese Einteilung liefert auch einen guten Überblick über die Beschleunigung, in der sich der mediengeschichtliche Wandel vollzieht.
Eckpunkte der Mediengeschichte
In der Vorlesung werden auch ausführlich Eckpunkte der Mediengeschichte gewürdigt:
1452 Buchdruck
1517 Beginn des Druckes von Flugschriften als erste Massenkommunikationsmedien der Reformationszeit
1605 Zeitung, ausgehend von der Verteilung der Straßburger Relation durch Johann Carolus
1835 Entwicklung der Daguerreotypie Weiterentwicklung zur Fotografie
1895 Film, ausgehend von den ersten kurzen Filmen der Gebrüder Skladanowsky
1923 Radio, ausgehend von der erste deutsche Radiosendung in Berlin
1953 Fernsehen, ausgehend von der Übertragung der Krönung Elisabeths II.
1984 Privatfunk, ausgehend vom Start des Kabelpilotprojekts Ludwigshafen, folgend mit den privaten Programmen ab dem Jahr 1985
1993 Onlinemedien, ausgehend von Freigabe zur kostenlosen Nutzung des world wide web-Standards durch das CERN.
Thema sind auch die Steuerungs- und Kontrollmechanismen, denen jedes Medium bzw. jede Medienbotschaft unterliegen kann. Abgehandelt werden die Wirkungsweisen von Ausbildung/Zulassung (Personal), Zensur (Programm), Lizenzierung (Medien), Frequenz-/Papierzuweisung (technische Verbreitung) sowie Nutzungs-/Selbstkontrolle (Medienkonsumenten).
Diese Vorlesung bietet den Hörern auch die Möglichkeit zur Vertiefung wissenschaftlicher Arbeitstechniken.
Einführende Literatur
Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1979.
Böhn, Andreas; Seidler, Andreas (2008): Mediengeschichte. Eine Einführung. Gunter Narr Verlag.
Ebster, Claus; Stalzer, Lieselotte: Wissenschaftliches Arbeiten für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. 3., überarb. Aufl., Wien 2008.
Eco, Umberto: Der Name der Rose. München 1986.
Faulstich, Werner: Medien und Öffentlichkeiten im Mittelalter. 800-1400. Göttingen 1996 (Die Geschichte der Medien, Bd. 2).
Faulstich, Werner: Mediengeschichte von 1700 bis ins 3. Jahrtausend. Göttingen 2006 (a).
Thomas Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. 2., rev. u. um das Postskriptum von 1969 erg. Aufl., [Nachdr.], Frankfurt am Main 2009.
Riepl, Wolfgang: Das Nachrichtenwesen des Altertums mit besonderer Rücksicht auf die Römer.Leipzig 1913.
Schanze, Helmut (Hg.): Handbuch der Mediengeschichte. Stuttgart 2001.
Ebster, Claus; Stalzer, Lieselotte: Wissenschaftliches Arbeiten für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. 3., überarb. Aufl., Wien 2008