Hubertus Heil, Sarah Müller & Cherno Jobatey New Work UdLDigital Talkshow

Bringt uns die Digitalisierung Gleichberechtigung in der Arbeitswelt?

Wie verändert die Digitalisierung unsere Arbeitswelt, insbesondere für Frauen? Wird es in der Zukunft neue Berufe geben, die frauen-dominiert sind? Was kann die Politik beitragen, um mehr Digitalberufe für Frauen zu öffnen und den digitalen Wandel zu erleichtern? Wird New Work helfen, eine geschlechtergerechte Arbeitswelt zu schaffen? Das Thema für Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, und Sarah Müller, Geschäftsführerin der kununu GmbH.

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Die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt: Qualifizierung, Weiterbildung, flexibles Arbieten, Teilhabe und Transparenz – so lauten die strategischen Empfehlungen. “Entscheidend ist, was in den 10 Jahren bis 2025 geschieht. Es werden rund 1,3 Millionen Fachkräftejobs verschwinden aber 2,1 Millionen neue Jobs entstehen”, sagte Heil, man müsse diesen Wandel gestalten und als Politik das Richtige tun. Müller, die mit kununu nach eigenen Angaben die größte Arbeitgeber-Bewertungsplattform in Europa vertritt, sieht wichtige Trends im Hinblick auf die Ansprüche der Arbeitnehmer. Immer wichtiger würden Flexibilisierung, Home Office und Kinderbetreuung.

Für Heil gibt es eine essentielle Facette in der Gestaltung des Arbeitswandels, “es verändert sich die Arbeit und es verändert sich auch die Erwartung an Arbeit”, die Ansprüche zueinander veränderten sich deutlich und hier müsse die Politik agieren. Denn die sogenannte Generation Y “hat eine andere Arbeitseinstellung, ist stärker interessiert an Vereinbarkeit von Beruf und Familie, auch Freizeit wird anders gestaltet als früher”. Der Erwerbsverlauf ist neu und auch darauf müsse die Politik reagieren, wenn junge Menschen künftig nach der Ausbildung erst in Vollzeitarbeit gelangten, später in Teilzeit die Kinderbetreuung organisieren, und schließlich zurückkehren in Vollzeit bevor im höheren Berufsalter wieder Teilzeitmodelle greifen, “dieser Erwerbsverlauf stellt hohe Ansprüche an eine flexible Altersvorsorge”.

Ist Home Office eine Lösung?

“Wir haben 300.000 bewertete Arbeitgeber auf unserer Plattform, die wenigsten davon bieten flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte”, sagte Müller, “Das Thema Future of Work ist sehr unterschiedlich präsent in den einzelnen Branchen, Vorreiter sind etwa digitale Berufe.”

Nachholbedarf gebe es in traditionelleren Branchen wie Textil, Druck und Handwerk. Heil ergänzte, dass es hier “einige Faktoren gibt, die zusammenwirken. Zum einen die Demographie und die gute Lage am Arbeitsmarkt, es gibt mehr Stellen für immer weniger Bewerber”. Und ab 2025, wenn die Babyboomer in Rente gingen, werde dieser Mangel noch grösser, das betreffe dann auch Gewerkschaften und Tarifstrukturen gerade in den von Müller erwähnten traditionellen Branchen. Für Heil sind flexible Löhne und Arbeitszeiten, inklusive Home Office, eine mögliche Lösung. “Eine Studie unserer Plattform gemeinsam mit Kienbaum zeigte, dass 11Prozent der Arbeitnehmer auf Gehalt verzichten würden, wenn sie im Gegenzug mehr Freiheit in der Arbeitszeitgestaltung bekommen”, ergänzte Müller.

Warum “New Work” einen Mentalitätswandel erfordert

Der Mensch “ist ein Gewohnheitstier”, die rasante Beschleunigung der Zeit und der viel schnellere Wandel sei laut Heil eher das Problem als etwa der vorhersehbare und langsame Wandel bei der damaligen Strukturänderung der Industrie im vorigen Jahrhundert. Die Menschen hätten heute viele Sorgen vor der Zukunft. Die Politik müsse deshalb die Chancen aufzeigen. “Ich wünsche mir zwei Sachen von der Politik”, skizzierte Müller, “mehr Flexibilität und mehr Flexibilisierung, denn nicht alle Arbeitnehmer sind gleich und nicht alle wollen Sicherheit.”

Weil der Wandel in jedem Unternehmen, in jeder Region und Branche unterschiedlich intensiv geschieht, “kann man nicht alles per Gesetz regeln und Politik muss viel stärker auch traditionelle Aushandlungsprozesse nutzen, etwa in der Sozialpartnerschaft aus Arbeitgebern, Betriebsräten und Arbeitnehmern”, so Heil. Nur noch 47% der deutschen Arbeitnehmer seien in Tarifverträgen angestellt, weswegen dem Staat eine hohe entlastende Rolle zufalle, “das hat in Deutschland in den zehn Jahren seit der Finanzkrise gut funktioniert, wohingegen wir in Frankreich eine viel stärkere soziale Spaltung sehen”. Würde der Ruf nach dem Staat zu laut, dann käme der Gesetzgeber nicht mehr mit dem Regulieren hinterher; proaktive Rahmen seien das Mittel der Wahl.