Redner Cherno Jobatey bei einem Vortrag auf einer ansonsten leeren Bühne. Ob im großen Hamburger CCH oder auf einer kleinen Bühne im fränkischen Nürnberg: Redner auf der Bühne ist etwas anderes als bundesweites Fernsehen mit einem Millionenpublikum. Denn das sei halt “großes Kino”, so der Redner Cherno Jobatey nach seinem Vortrag in der Tafelhalle. „Zwischen mir und den Zuschauern draußen ist viel Technik, alles ist immer optimal.“ Zudem sei Fernsehen absoluter Teamsport, man sei immer eingebunden. Alles sei perfekt durchorganisiert, Zufälle würden minimiert.
Doch als Redner, allein mit seinem Vortrag auf einer Bühne – ausgestattet mit minimalen technischen Hilfsmitteln – vor vier- bis fünfhundert Leuten zu stehen, das sei was ganz anders: “Um im Bild zu bleiben: Das ist großes Kino zum Anfassen.“
Es gäbe zwar in Sälen, anders als zu Hause, keine Fernbedienung, aber auf der Bühne merke Redner Jobatey sofort, wenn die Energien woanders hinflössen. Also müsse man nicht nur Inhalte „draufhaben“, sondern sie auch „rüberbringen”. Jeder Bühnenschaffende, sei er nun Musiker, Schauspieler oder Redner, lebt nach der Regel des alten Hollywoodstars und Tanz-Genies Fred Astaire, der mal über das Leben auf der Bühne sagte: „Das Schwerste ist, es so leicht aussehen zu lassen.”
In allen Darstellenden Künsten kann man in den letzten Jahren, seit den Auswirkungen der digitalen Revolution, ein ähnliches Phänomen feststellen: Am lautesten beklagt, am deutlichsten, war es in der Popmusik. Weil mit gut komponierten und gigantisch verpackten reproduzierbaren Produkten wie Tonträgern oder DVDs nicht mehr soviel Geld zu verdienen ist, gerät die gut geölte, globalisierte und alt-bewährte Starmaschinerie ins Stottern. Es funktionierte fast überhaupt nichts mehr. Um Geld zu verdienen, geht’s nun, wie früher, auf die Bühne. Und bei diesem „neuen“ Geschäftsmodell hilft nichts außer der Performance dem Auftritt. So kam es zu einer Renaissance des klassischen, fast schon altmodischen Handwerks auf vielen Bühnen. Und wie bei der Popmusik ist es heute eben auch bei den Rednern: Leute, die das Handwerk live beherrschen, sind gefragt.
Und wie beim Pop, ist es auch beim gesprochenen Wort, beim Redner: „Old-School Performer“, wie man das zeitgemäss beschreiben würde, also Redner, die das Handwerk auch live beherrschen, sind stark gefragt.
Redner halten einen Vortrag über ein Thema, zu dem ganz sicher auch ein Buch, ein Artikel, ein Fernseh-Film, Dokumentarfilm, Dokudrama, oder eine Webseite existiert. Aber vor dem Redner zu sitzen, ihn zu sehen, vielleicht sogar eine Frage hineinzuwerfen,den Aufbau seines dramaturgischen Spannungsbogen zu erleben, ja zu merken … Dann noch dem Redner in inhaltliche Tiefen zu folgen, die man vorher nicht so gesehen, geschweige denn gedacht hat; Und nach dem Vortrag noch ein Gespräch mit dem Redner zu suchen, ihn darin zu verwickeln, das alles geht nur „livehaftig“!
Eben nur, wenn der Redner mit seinem Vortrag vor Ort ist wie hier in Nürnberg, oder aber auch in Trier, Berlin, Essen, Bochum oder beim Wissensforum Süddeutsche Zeitung in München.