Vortrag: Digitale Macht. Die neue Ökonomie der Aufmerksamkeit

Wissen ist Macht. Und Aufmerksamkeit ist ein wertvolles Gut in unserer Wissensgesellschaft. Wem das Interesse zufließt, der hat auch die Deutungshoheit. Nie wurde das deutlicher, als während der Trump-Präsidentschaft mit ihren von sehr vielen geglaubten alternativen Fakten.

Industrielle Revolution

Etwas ist seit Trump ‘gefühlt‘ jetzt ganz anders. Aber die schleichende Veränderung begann bereits in den 1990ern mit der Erfindung eines einfachen Internetzugangsprogramm, des Browsers: das seit Jahrzehnten vorhandene Internet ist seitdem für alle da. Diese ganz im Stillen gestartete digitale Revolution wirbelt bis heute mehr durcheinander, als vielen lieb ist. Traditionelle Geschäftsmodelle wandeln sich grundlegend. Handwerkliche Fähigkeiten verlieren ihren Wert. Auch die Kommunikation – egal, ob privat oder öffentlich – hat sich von Grund auf gewandelt.

Das erste große, für alle wahrnehmbare Zeichen dieser wirklich alle betreffende Veränderung war der Aufstieg eines politischen Niemands aus dem Mittelwesten, der gegen die Partei-Eliten US-Präsident werden wollte. Die Obama-Wahl war ein erster Sieg einer neuen digitalen Elite, die vor allem auf Soziale Medien setzte, über eine „analoge Hemdsärmeligkeit“ und machte bereits 2008 deutlich, wie sehr sich die Ökonomie der Aufmerksamkeit verändert hatte.

Was bei der Obama-Wahl noch ein Thema für Polit-Feinschmecker war, ist seit Trump und Brexit für jeden offenkundig: der Wettbewerb um die Deutungshoheit wurde härter und funktioniert inzwischen nach sich ständig wandelnden Spielregeln!

Trump verknüpfte 2016 Mechaniken des Reality TV mit sozialen Medien; 2017 konnte Herausforderer Jeremy Corbyn in Großbritannien mit eher simplen digitalen Methoden überraschend erfolgreich Premierministerin Theresa May ihre absolute Mehrheit abnehmen. Joe Biden gelang es 2020, ein Rezept gegen Trump zu finden. Und mit TikTok und Clubhouse dräuen die nächsten revolutionären Trends bereits am Kommunikationshorizont.

Neue Ökonomie der Aufmerksamkeit

Früher galt es Massenmedien zu beeindrucken, um Reichweite zu erlangen. Heute ist das nicht mehr ganz so wichtig. Wer die Gesetzmäßigkeiten der neuen Ökonomie der Aufmerksamkeit erkennt, sie anerkennt und ihnen folgt, hat enorme Vorteile. Prinzipiell jeder kann (zudem recht preiswert) seine Konkurrenten besiegen, wenn diese nur auf Altbewährtes setzen.

Erfolgreich sein kann nur, wer in der digitalen Welt „vorhanden“ ist. Denn Digitales übertrifft die Reichweiten analoger Massenmedien oft um ein Vielfaches!

Nur „im Internet sein“, reicht jedoch nicht mehr aus! Wer gehört, gelesen, gesehen oder wer seine Dienstleistung genutzt, seine Produkte gekauft wissen möchte, kommt um zwei Grundprinzipien nicht herum. Nur zwei Gebote gilt es zu befolgen, die so wunderbar einfach klingen:

  • Sei findbar!
  • Sei empfehlbar!

Findbarkeit / Search

Die „Türsteher des Wissens“, die Suchmaschinen, reagieren am besten auf „gut geölte“ digitale Produkte, die den (sich ständig verändernden) Kriterien von Google & Co entsprechen. Chancen hat nur, was inhaltlich und technisch gut „funktioniert“. Und das ist ein Produkt von Arbeit und Wissen. Um dieses „Gefunden werden“ etablierte sich eine ganze Service-Industrie.

Empfehlbarkeit / Social

Für den Hebel der sozialen Medien ist es entscheidend, ALLES so aufzubereiten, dass es (meist ziemlich spontan) geteilt wird. Denn durch’s Weiterempfehlen via soziale Medien, neu-deutsch „socialn“, lassen sich durch Netzwerkeffekte Reichweiten erzielen, die bis vor kurzem noch unvorstellbar waren.

Ein Beispiel aus der deutschen Huffington Post: Der Artikel Der Tag an dem ich aufhörte „Beeil Dich“ zu sagen, wäre mit 20.000 Lesern, die direkt zur HuffPost kamen, ein Flop gewesen. Aber diese Geschichte „rannte“ via Social-Media-Weiterempfehlung durchs Netz und erreichte dadurch beeindruckende 2.315.826 Leser. Gut das Dreifache der Spiegel-Druckauflage.

Was einfach klingt, ist vielschichtiger: denn neuen Techniken folgen, wie so oft in der Evolutionsgeschichte, neue Kulturtechniken.

Referent Jobatey erklärt, wie man sich in dieser neuen Welt bewegt

Gewohnheiten und Habitus gelten durch die Digitalisierung nicht mehr. Und dieser Wandel schreitet überall weiter voran, nicht nur in der Medienwelt.

Cherno Jobatey, langjähriger Herausgeber der Huffington Post, die es binnen drei Jahren knapp an die Top 10 der News-Plattformen in Deutschland geschafft hatte und dann wegen strategischer Überlegungen des Mutterkonzerns in Deutschland eingestellt wurde, erklärt diese neuen Spielregeln.
Jeder, egal ob DAX-Unternehmenslenker, Mittelständler oder Privatperson, also tatsächlich jeder mit einer E-Mail Adresse und einem Internetanschluss kann diese neuen Möglichkeiten für sich nutzen.

In seiner Präsentation erläutert der Referent die neue Ökonomie der Aufmerksamkeit und illustriert anhand von Beispielen aus Politik, Wirtschaft und Pop-Musik detailliert, wie sich Machtverhältnisse im Kampf um die Meinungsführerschaft verschoben haben und wie man die neue Zeit für sich nutzen kann.

Wer digital nicht dabei ist, läuft große Gefahr, auf dem heutigen Marktplatz anstelle des bislang gewohnten, zentral gelegenen repräsentativen Marktstandes nur noch einen Tapeziertisch in der dritten Reihe zu betreiben. Und viel zu oft geht unter: Diese schöne neue Welt ist machbar, simpel zu bedienen und zudem bezahlbar!

Wissen ist Macht, daran wird sich nichts ändern. Aber noch nie waren so viele so mächtig.