Volker Kauder, Paula Hannemann & Cherno Jobatey in UdLDigital Talkshow

Bürgerbeteiligung digital: wie „Neuland“ die Politik verändert

Digitalisierung verändert die Gesellschaft und auch die Politik. Das Offenlegen und Dokumentieren von Entscheidungen bringt mehr Transparenz in die Abläufe – und Akteure verändern ihr Verhalten. Auch das Ringen um Lösungen, das Finden von Mehrheiten ist anders geworden. Von der berufsbedrohenden Haftpflicht-Problematik bei Hebammen hätte ohne Onlinepetitionen wahrscheinlich niemand etwas gehört. Die Online- und Offline- Ereignisse rund um „Stuttgart 21″ mahnen aber auch, dass „laut und viel“ nicht unbedingt Mehrheitsmeinung sind. Wie also nun agieren in Neuland? Das Thema für Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Paula Hannemann, Deutschlandchefin von change.org, der weltgrößten Petitionsplattform.

 

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Am politischen Entscheidungsprozess wollten schon immer viele mitwirken. Dass Einzelpersonen, Unternehmen, Interessensgemeinschaften durch Lobbyismus, Petitionen, Initiativen oder auch Demonstrationen jedweder Art etwas zu bewegen versuchen, das alles ist so alt wie die Politik. Und was früher in Hinterzimmern oder den Fluren der Macht passierte, findet nun eben einfach öffentlich statt, so die Befürworter der neuen Zeit. Jeder kann mitmachen. Also nicht mehr nur große Firmen mit teuren Lobbyistenorganisationen, sondern jeder mit einem Internetanschluss.

Die Gäste der Talkshow lieferten sich einen unterhaltsamen Schlagabtausch, bei dem schnell deutlich wurde, dass generationenspezifische Unterschiede in den Perspektiven herrschen. Während Kauder die digitale Partizipation grundsätzlich befürwortet und sich zugänglich zeigt, schätzt er dennoch die Politik nah am Menschen – beispielsweise in Form bürgernaher Sprechstunden. Hannemann hingegen setzt verstärkt auf Politik durch Schwarmbildung und sieht Petitionen, sowohl analoge als auch digitale, als Anreize für politische Entscheidungen. Sie gesteht ihnen „riesige Chancen“ zu, insbesondere wenn es darum geht, das Potenzial repräsentativer Demokratie zu stärken. Der Grund: Hier wird „Öffentlichkeit durch Zustimmung“ hergestellt und Menschen können sich mit gestärktem Selbstbewusstsein in die Politik einbringen.

Umgekehrt nehmen sich Politiker mehr Zeit für die Ideen der Bürger, wenn sie erkennen, wie viele Menschen hinter einer Sache stehen. Denn viele Petitionen enthalten gute Vorschläge, auf die die Politik möglicherweise von selbst nicht gekommen wäre. Gleichzeitig bieten sie Menschen die Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen – eine Möglichkeit, die ihnen sonst vielleicht verwehrt geblieben wäre.

Kauder hingegen räumt der digitalen Beteiligung zwar große Chancen ein, möchte im Gegensatz zu seiner Gesprächspartnerin aber gleichzeitig sicherstellen, dass Abgeordnete den direkten Kontakt zu den Bürgern suchen. Auch dürfe es in der Politik nicht allein darum gehen, wie breit eine Meinung im Internet vertreten sei. Der einzelne Bürger, der sich mit dem Politiker austauscht, müsse ebenso Gehör finden. Hier sei weiterhin zu bedenken, dass viele Menschen noch nicht sicher im Umgang mit den neuen Medien seien und persönliche Sprechstunden auch vor diesem Hintergrund wichtig wären. Volker Kauder wolle sich nicht von einem vielstimmigen Chor zu etwas drängen lassen, was er nicht für richtig halte. Kauder sagte zu, die Möglichkeit einer offenen Schnittstelle bei bundestag.de zu überprüfen.

Konträr ging es bei der Frage nach dem Sinn des bestehenden Petitionsausschusses zu, der sich mit einer großen Anzahl an analogen und digitalen Petitionen und deren Auswertung beschäftigt: Während Kauder dem Ausschuss großes Gewicht zusprach, nannte Hannemann ihn einen „zahnlosen Tiger“. Bei der Qualität der Teilhabe wiederum waren sich die Gesprächspartner grundsätzlich einig darüber, dass diese gewährleistet sein müsse.